Module, die auf Straßen und Parkplätzen wie ein Rollrasen verlegt werden, entwickelt das junge Unternehmen Solmove. Die erste Teststrecke soll im Frühjahr gebaut werden.
Als Donald Müller-Judex 2009 im Allgäu Flächen für Photovoltaikanlagen suchte, waren alle geeigneten Dächer besetzt. Freiland zubauen wollte der Maschinenbauer und Ingenieur für Medientechnik jedoch nicht. „Warum nicht die Straßen nutzen? Darauf scheint auch den ganzen Tag die Sonne“, sagte er sich. Bis er 2014 die Solmove GmbH mit Sitz in Berlin gründete, vergingen fünf Jahre. 2018 will er nun die ersten Solar-Teststrecken in Deutschland, den USA, Südkorea, China und Dubai bauen.
Bereits versiegelte Flächen können auf die Weise doppelt genutzt werden: Allein in Deutschland stünden 1,4 Mrd. m2 zur Verfügung, so der Ingenieur. Der „Solarteppich“ soll auf wenig verschatteten Radwegen, Seitenstreifen, Parkplätzen oder zwischen Bahngleisen ausgerollt werden. „Er besteht aus ganz vielen kleinen Glasfliesen, je 10 cm x 10 cm“, erklärt Müller-Judex. „Jede Fliese ist eine Solarzelle, die mit einem Gewebe elektrisch und mechanisch mit den anderen flexibel verbunden ist.“ Eine Gummischicht absorbiert Schall und verbindet Teppich und Untergrund.
Für die Energieproduktion nutzt Solmove bewährte monokristalline Zellen, die im Glassandwich stecken. An der Oberfläche entstehen maximal 30 V. Diese Begrenzung soll Gefahren im Fall einer Beschädigung ausschließen. Der Strom wird am Rand gesammelt und in eine höhere Spannung konvertiert. Befahrbar wird die Oberfläche durch das besondere bruch- und rutschfeste Sicherheitsglas. „Darauf kann ein Lkw eine Vollbremsung machen“, sagt der Gründer.
Foto: Solmove
Solmove-Gründer Donald Müller-Judex: „Eine normale Straße kostet Geld, eine Solarstraße verdient Geld.“
Möglich macht es eine Oberflächenstruktur, die wie ein Mikrogebirge aussieht. „Auf den Bergspitzen wird der Autoreifen gehalten, an den Hängen das Licht eingekoppelt und in den Tälern sammelt sich der Schmutz und wird vom Wasser abtransportiert“, schildert Müller-Judex. Das genoppte Glas leite das Wasser um ein Vielfaches besser ab als herkömmliche Straßenbeläge. Deshalb reinige sich die Fläche selbst, was den Stromertrag auf Dauer sichere. Dreck und Splitt können sie mit der Zeit nicht matt machen. Eine Nanobeschichtung werde zudem künftig Stickoxide abbauen. Müller-Judex: „Bei Lichteinfall entsteht ein photokatalytischer Effekt, der die Partikel zersetzt.“ Bei der Entwicklung der Module haben Forschungspartner geholfen: Fraunhofer-Institute, die RWTH Aachen, die Universität Bayreuth und das Forschungszentrum Jülich.
„Eine normale Straße kostet Geld, eine Solarstraße verdient Geld“, wirbt Solmove: nach Abzug der Investitionskosten 5 € bis 8 € pro Quadratmeter und Jahr. Im sonnenarmen Deutschland erzeugt der Belag pro Quadratmeter ca. 100 kWh Strom jährlich und hält rund 25 Jahre lang. Mit der Stromerzeugung könnten Kommunen einen Teil ihrer Investitionen in Straßenbau- und sanierung wieder hereinholen. Die Technologie bietet aber mehr Chancen: Radwege mit eingebauten LED beleuchten, im Winter ohne Salz auftauen, durch installierte Sensorik das Verkehrsaufkommen besser steuern oder mit Induktionsschleifen E-Fahrzeuge aufladen. Diese Ausstattung könnte künftig ab Werk eingebaut werden.
Die Module will Solmove mithilfe von Industriepartnern produzieren. Das Geschäftsmodell sieht vor, an Kommunen, Gewerbetreibende oder an Hauseigentümer zu verkaufen, die mit der Photovoltaik Strom erzeugen. Auf beheizbaren Straßen, Parkplätzen und Zufahrten erübrigt sich der Winterdienst. Radfahrer könnten auf einem selbstleuchtenden Weg besser sehen und gesehen werden. In ferner Zukunft könnten sich E-Fahrzeuge beim Parken oder Fahren induktiv aufladen.
Als erste Teststrecke sollen im Frühjahr auf einem Radweg in Erftstadt 240 m2 bebaut werden. Müller-Judex: „Wir bekommen jeden Tag Anfragen.“ – Mehr als das Jungunternehmen mit drei Beschäftigten bedienen kann. Gewerbetreibende zeigen auch Interesse. Ein Hotel wolle die Zufahrten zum Parkplatz mit Solarfliesen pflastern. Selbst aus Indien und Afrika gebe es Interessenten.
Mit rund 100 000 € Startkapital von der Zukunftsagentur Brandenburg und zusätzlichen Mitteln von mehreren Business Angels hat Solmove die bisherige Entwicklung bis zum Prototyp finanziert. Nun aber braucht das Unternehmen 2 Mio. € für die nächsten zwei Jahre, um sie in den Aufbau der Produktion und in die Markteinführung zu stecken. Müller-Judex kann sich die Beteiligung eines Finanzinvestors, eines strategischen Investors oder eines Family Office vorstellen.
Geldgeber sucht er sowohl in Deutschland als auch international. Doch die Erfahrungen des Seriengründers lehren ihn, dass ein Start-up aus der Cleantech-Branche weit schwieriger Risikokapital findet als irgendetwas mit Software. „Software ist zehnmal schneller zu finanzieren“, weiß er, weil er bereits Firmen für das Bezahlen per Handy und für den elektronischen Rechnungsversand gegründet hatte. Um eine nachhaltige Umwelttechnologie zu entwickeln, ist jedoch der Kapitalbedarf höher, es dauert länger, die ersten Umsätze seien erst nach fünf Jahren zu erwarten: Schnelle Exits sind nicht möglich. Vom Staat gebe es zu wenig Unterstützung für grüne Start-ups.
Neben Müller-Judex arbeiten ein Ingenieur mit dem Schwerpunkt erneuerbare Energien und eine Umweltmanagerin für Solmove. Wenn die Finanzierung steht, will das Unternehmen weitere Ingenieure einstellen, zunächst einen Wirtschaftsingenieur und zwei Spezialisten für Produktionstechnik. Zurzeit läuft ein Projekt mit der Deutschen Bahn, die prüfen will, ob der PV-Teppich zwischen den Gleisen zum Einsatz kommen könnte. Allein damit würde sie bis zu einem Fünftel ihres Strombedarfs decken, so Solmove.
Die Technologie wird man vielleicht auch in China bei den Olympischen Spielen 2022 erleben können. Shuttlebusse sollen auf einer Strecke von 190 km auf einer induktiv ladenden Spur fahren, die von Solmove-Modulen mit Strom gespeist wird.
Die Aufgeschlossenheit für Straßenkraftwerke ist grundsätzlich vorhanden. US-amerikanische (Solar Roadways), niederländische (SolaRoad) und französische (Wattway) Anbieter sind bereits mit horizontaler Photovoltaik auf dem Markt. Ihre Lösungen erfordern allerdings das kostspielige Aufreißen bestehender Wege. Den Solarteppich könne man, so das Berliner Unternehmen, mit einem speziellen Kleber einfach darüber verlegen. Nach Ablauf der Lebensdauer ließen sich die Bahnen auch wieder abziehen und recyceln. ws