Unser Elchtest: Wie ein alter Störfall das Smart Solar Street-Konzept von Solmove in der öffentlichen Wahrnehmung negativ beeinflusst
PRESSEINFORMATION
Interview mit Donald Müller-Judex, Gründer von Solmove GmbH
Berlin, 27. März 2020 – Wer erinnert sich nicht an den Begriff des Elchtests? Der Elchtest hatte Mercedes vor 20 Jahren einen Marketing-Gau beschert, als die damals in der Erprobung befindliche neue A-Klasse bei einem Fahrmanöver umkippte. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. So ähnlich geht es auch Solmove mit seinem innovativen Konzept einer smarten Solarstrasse. Die Solar Street-Module des Berliner Startups können auf bestehende Flächen wie Straßen und andere versiegelte Flächen aufgebracht werden und erzeugen nicht nur Solarstrom, sondern bieten auch intelligente Funktionen für die Verkehrsinfrastruktur von morgen. Doch seit einem Störfall auf einer Testanlage im März 2019 wird die öffentliche Berichterstattung davon dominiert. Erst kürzlich sind wieder negative Berichte in Print und TV[1] erschienen. Im folgenden Interview erläutert Donald Müller-Judex, der Entwickler der Lösung und Gründer von Solmove, den aktuellen Stand der Lösung.
Im November 2018 eröffnete Umweltministerin Svenja Schulze in Erftstadt bei Köln feierlich einen 80 Meter langer „Solarradweg“ von Solmove. Im März 2019 kam es zu technischen Problemen und kleinen Schwelbränden aufgrund von Wassereintritt in einigen Anschlussdosen der Solarmodule. Aus Sicherheitsgründen wurde die gesamte Anlage damals stillgelegt. Solmove sagte zu, die Mängel an der Pilotanlage zu beheben und vom TÜV abnehmen zu lassen. Obwohl der TÜV-Bericht Anfang September vorlag, kündigte die Stadt Erftstadt im Oktober den Vertrag. Solmove hat daraufhin Klage eingereicht, weil die gesetzte Frist nicht angemessen war, um die Reparaturen durchzuführen. Ein Urteil wird nun im Sommer 2020 erwartet. In der Berichterstattung und der öffentlichen Wahrnehmung zu Solmove überlagern diese bereits im März 2019 aufgetretenen und wegen des offenen Rechtsstreits noch nicht behobenen technischen Mängel der Testanlage in Erftstadt seitdem die aktuellen Informationen zur Smart Solar Street-Technologie von Solmove. Die Dosen wurden inzwischen längst überarbeitet und in weiteren Testanlagen in Gelsenkirchen und Köln erfolgreich erprobt.
Herr Müller-Judex, Sie vergleichen den Störfall in der Pilotanlage von Erftstadt inzwischen mit dem Elchtest bei Mercedes. Was ist damals bei der Anlage in Erftstadt technisch schief gelaufen?
Damals kam es durch einsickerndes Regenwasser in ca. 10 von insgesamt 520 Anschlussdosen, die im Boden auf gleicher Höhe wie die Fahrbahn-Module montiert sind, zu einem Kurzschluss und in Folge dessen zu Schwelbränden. Die Feuerwehr hat deshalb die Anlage mit Folie abgedeckt, damit die Solarmodule nicht weiterhin Strom produzieren. Ein Gutachten des TÜVs Rheinland ergab zwei Ursachen: Eingedrungene Feuchtigkeit, die zu Kurzschlüssen in 10 Modulen geführt hat sowie zu geringe Abstände der Plus- und Minus-Kontakte in den Anschlussdosen.
Konnten Sie diese Mängel inzwischen beheben?
Aus technischer Sicht handelte es sich um marginale Probleme, die wir relativ einfach hätten beheben können. Solmove hat damals der Auflage der Stadt Erftstadt zugestimmt, die Wirksamkeit der Verbesserungsvorschläge durch den TÜV Rheinland begutachten zu lassen. Wir lieferten verschiedene Versionen modifizierter Anschlussdosen, die der TÜV prüfte. Das Ergebnis: Der Abstand der überarbeiteten-Kontakte wurde akzeptiert. Die Dosen waren jedoch noch nicht ausreichend abgedichtet. Wir haben die Stadt darüber informiert und vorgeschlagen einen erweiterten Lösungsvorschlag prüfen zu lassen.
Die Anlage ist aber noch immer außer Betrieb. Warum sind die Probleme an der Testanlage denn zwischenzeitlich nicht beseitigt worden?
Im Herbst 2019 hatten wir alle technischen Mängel beseitigt und hätten nun die fehlerhaften Dosen auswechseln können, aber da hatte die Stadt Erftstadt schon die Geduld verloren, kündigte den Vertrag und forderte den Rückbau der gesamten Anlage. Im gesamten Prozess der Mängelbehebung wurden die Fristen der Stadt zu knapp bemessen, eine erneute Prüfung des erweiterten Verbesserungsvorschlages durch den TÜV war in der Zeit gar nicht möglich. Der mehrfachen Bitte von Solmove an die Verantwortlichen der Stadt Erftstadt, doch gemeinsam über einen Lösungsweg zu sprechen, wurde leider nicht nachgekommen. Uns blieb deshalb nur noch die gerichtliche Klärung. Es war im Übrigen allen Beteiligten klar, dass es sich um eine Testanlage handelt, bei der naturgemäß auch Fehler auftreten können. Die Stadt Erftstadt hat deshalb auch vertraglich auf Ersatzansprüche für nicht vorsätzlich herbeigeführte Schäden jeglicher Art verzichtet.
Können Sie belegen, dass Ihre Smart Solar Street-Technologie inzwischen fehlerfrei funktioniert?
Wir betreiben derzeit zwei weitere Testanlagen auf dem Gelände einer Zeche in Gelsenkichen sowie in Köln auf dem Betriebsgelände der Rhein Energie, die mit den weiterentwickelten Modulen seit Monaten fehlerfrei laufen und Strom liefern. Unser Konzept und die Technologie von Solmove wurden bereits vielfach ausgezeichnet, darunter mit einer Nominierung zum Bundespreis ecodesign 2019, dem Innovationspreis Berlin Brandenburg, dem Start Green Award 2018 und dem China German Innovation Award 2019. Doch wir bleiben nicht bei der Stromerzeugung stehen, sondern versehen die Module mit weiteren smarten Funktionalitäten. So soll sich die Oberfläche im Winter vollautomatisch von Schnee und Eis abtauen können und durch LEDs beleuchtet sowie mit eingeblendeten Hinweisen oder Verkehrszeichen versehen werden können, was ein Plus an Verkehrssicherheit bedeutet. Nicht zuletzt könnten Elektromobile in Zukunft auch induktiv mit Strom aufgeladen werden, was der Verbreitung der Elektromobilität einen enormen Schub verleihen würde.
Was sind die nächsten geplanten Schritte bis zur Erreichung der Marktreife?
Vorgesehen ist die Kopplung mit Informations-, Daten- und Ladetechnik: Der Fahrbahnbelag kann mehrfarbig leuchten und bietet auch die Möglichkeit, Informationen mit (autonomen) Fahrzeugen und anderen Verkehrsteilnehmern auszutauschen. Auch die kabellose Lademöglichkeit von Elektrofahrzeugen mittels Induktion ist damit umsetzbar und würde die Verbreitung von E-Mobilität unterstützen.
Sie planen derzeit eine Crowdfunding-Kampagne. Wofür sammeln Sie Geld ein?
Um unsere Technologie zu einem marktfähigen Produkt weiterzuentwickeln und den Aufbau der Serienproduktion in Deutschland vorzubereiten, benötigt Solmove weitere finanzielle Unterstützung. Deshalb starten wir Anfang April eine Crowdinvesting-Kampagne, mit der wir das Eigenkapital beschaffen wollen, das zwei weitere Förderprojekte ermöglicht. Mit der Gesamtsumme aus Eigenkapital und Fördergeldern von insgesamt 2 Mio. Euro könnten wir dann unsere gesteckten Ziele umsetzen.
Wie bewerten Sie die Marktchancen für die Smart Solar Street-Lösung von Solmove?
Solmove erhält laufend Anfragen zu Projekten und wir spüren- nicht nur medial – ein deutliches Interesse an unserer Lösung. Derzeit arbeiten wir an sechs Projekten weltweit, davon zwei in Europa, eines in den USA, eines in Südamerika, eines in China und eines in den Emiraten. So trauen wir uns für die nächsten Jahre, sobald unser Produkt seine Marktreife erreicht hat, ein steiles Wachstum zu. Denn Studien zum Thema Stadtentwicklung und Smart City prognostizieren eine radikale Veränderung der Funktionalität der Straßeninfrastruktur in den nächsten Jahren. Die Integration von smarter Funktionalität in Straßen hat laut einer aktuellen Studie von IDTechEx von 2018 ein weltweites Marktpotential, das sich in den nächsten 10 Jahren auf bis zu 18 Mrd. US-Dollar jährlich entwickeln wird. Die Studie erwähnt dabei rund 100 aktuelle Smart City-Projekte, die sich auf smarten Straßenbelag beziehen. Solmove ist einer der führenden Lösungsanbieter in diesem Bereich.Unsere intelligenten Solarstraßen stellen sich gleich mehreren Herausforderungen: wachsendes Verkehrsaufkommen und verdichtete Räume in Städten, Reduzierung der Emissionen und Dekarbonisierung trotz eines laufend steigenden Energieverbrauchs, begrenzte Flächen zur Gewinnung erneuerbare Energie.
Das eine sind die smarten Funktionen für eine moderne Verkehrsinfrastruktur. Aber wie sehen die Möglichkeiten der Energieerzeugung aus? Kann Solmove hier in der Fläche rentabel Energie produzieren?
Um die Energiewende sowie die Veränderung hin zur Elektromobilität erfolgreich umzusetzen, benötigt Deutschland noch viel mehr grünen Strom. Das Bundesamt für Naturschutz spricht in seiner Studie von 2019[2] davon, dass wir sieben Mal mehr installierte Leistung benötigen um CO2-neutral zu werden. Die Solarstraßen von Solmove sind eine innovative und nachhaltige Lösung zur Energieerzeugung auf versiegelten Verkehrsflächen wie Straßen, Radwegen oder Einfahrten. Alleine in Deutschland eignen sich ca. 1.400 Quadratkilometer horizontale Flächen für Solarstraßen, mit deren Strom sich etwa 20 Millionen Fahrzeuge mit Strom versorgen ließen. Vorhandene Verkehrsflächen können so doppelt genutzt werden – nicht nur als Verkehrsweg, sondern auch für die Energiegewinnung. Dadurch lässt sich der Flächenverbrauch zur Erzeugung erneuerbarer Energie in der Natur verringern. Solarstraßen aus den stabilen Photovoltaik-Modulen von Solmove wären großflächige Kraftwerke, die bei der umweltfreundlichen Stromerzeugung aus Sonnenlicht 100% klimaneutral wären und damit einen substanziellen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele und Nachhaltigkeitsziele der United Nations leisten könnten. Zudem ließe sich mit ihnen auch der Straßenbau revolutionieren. Denn mit dem von den Solarstraßen produzierten Strom können Kommunen Geld verdienen, indem sie den Strom direkt vor Ort nutzen oder einspeisen. So ließe sich langfristig der Bau oder der Unterhalt von Straßen teilweise refinanzieren.
[1] Potsdamer Neuste Nachrichten – https://www.pnn.de/potsdam/schwelbrand-beim-vorzeigeprojekt-potsdamer-firma-scheitert-mit-solarradweg/25519786.html
ZDF Länderspiegel – https://www.zdf.de/politik/laenderspiegel/hammer-der-woche-teurer-solar-radweg-funktioniert-nicht-100.html
[2] Erneuerbare Energien Report – https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/erneuerbareenergien/Dokumente/BfNErneuerbareEnergienReport2019_barrierefrei